Werte sind aus Sicht des Menschen immer erstrebenswerte Dinge, die es zu bewahren gilt. Zeitgleich einen Werte, doch trennen sie auch, denn ein jeder Mensch hat andere Präferenzen oder „Werte“, für die er mehr einsteht als ein anderer dies tun mag. Dies hat sich in der Geschichte logischerweise über Jahrtausende vollzogen und wird sich weiter vollziehen, nur mögen uns heutige Werte fortschrittlicher erscheinen als welche vergangener Zeiten. Nichtsdestotrotz haben wir viele Werte und Normen unserer Vorfahren adaptiert, reguliert oder modifiziert. Dabei stoßen wir auf ein Problem: Was macht diese „Werte“ aus? Welchen Gehalt haben Werte wie Freiheit und Gleichheit? Wie lassen sich diese universal normieren?
Ein Orientierungs- und Wertesystem weist hierarchisierende Tendenzen auf – Werte wie Menschenrechte sind zumindest aus europäischer Sicht universal. In anderen Gesellschaften mögen sie auch Geltung haben, doch fallen hier Länder wie China aus dem Raster. Ein weniger drastisches Beispiel: Wenn man in China lecker gegessen hat, so rülpst man als Geste dafür, dass es gemundet hat. In Deutschland träfe dies eher auf Abstoßung. Dies könnte auch ganz trivial unter „Andere Länder. Andere Sitten“ zusammengefasst werden. Es verdeutlicht aber, dass Gesellschaften unterschiedliche Maßstäbe heranziehen, die einen Wert oder ein Verhalten bemessen.
Zurück zum Wert: Wenn wir das Wort „Wert“ erweitern, so erscheint einem ein Wert unmittelbar als <wertvoll>. Wie kann ein Wert <wertvoll> sein? Indem es teuer erkauft oder erworben wurde. Werte sind zugleich ökonomische Werte. Was bedeutet das? Ökonomische Werte haben einen Preis, die sich hier nicht aufs Geld beziehen, sondern auf kulturelle, politische oder militärische Art und Weise vollzogen werden. Werte sind daher wertvoll, weil es sich für sie zu kämpfen lohnt.
Schillers Diktum mag dies verdeutlichen: „Das Leben ist der Güter höchstes nicht.“ Wäre das Leben der höchste Wert in einer Gesellschaft, so könnten wir heute alle allemal noch als Sklaven leben. Dank Kulturleistungen und Errungenschaften vergangener Völker aber wurde die Sklaverei (abseits der Dunkelziffer) abgeschafft. Opferbereitschaft spielte hier eine wichtige Rolle. Wenn wir für unsere fundamentalen Werte – Menschenrechte, Freiheit, Demokratie einschließlich der Solidarität und Toleranz – einstehen wollen, müssen wir also notfalls unser Leben geben, um die Stabilität von diesen kardinalen Werten und Errungenschaften über unzählige weitere Generationen zu gewährleisten.
Da war der Perikles sehr weise, denn auf irgendein Verhalten müssen wir uns einigen. Und humane Werte scheinen die Menschheit vorwärts zu bringen. Wir wären alle ohne diese Überlegungen nicht hier und würden keinen relativen Wohlstand genießen, wenn wir uns nicht auf einige - darunter auch ungeschriebene - Werte geeinigt hätten.
Aus der persönlichen Autopsie dulde ich natürlich auch manches herausfordernde Verhalten. Weil ich pädagogisch mit Kindern arbeite und wirke, toleriere ich ihre Abweichungen bis zu einem gewissen Grad, schreite dann aber belehrend ein, wenn ich ihnen erkläre, dass zum Wohle der Klassengemeinschaft und der Bildungsziele, die sie und ihre Eltern, aber auch der Staat gemeinsam anstreben, ein bestimmtes Verhalten wünschenswert und ein anderes Verhalten zu tadeln ist. Es ist diesbezüglich schwierig eine Balance zu finden, es gibt aber definitive no goes: als Beispiel will ich eines nennen, das mir heute im Unterricht Wiederfahren ist.
Die Schüler treffen den Bürgermeister der Gemeinde in der ihre Schule ist. Der Termin steht noch nicht fest, die Schüler sollten aber heute schon Fragen an den Bürgermeister formulieren, so dass wir ein Konzept haben, ehe wir bei ihm vorsprechen. Einer der Schüler stellte die Frage: "Sind sie Jude?" - daraufhin fragte die Klassenlehrerin, wie diese Frage gemeint war? Ein anderer Schüler rief dazwischen: "Juden werden überall auf der Welt umgebracht." - Darauf hin sah ich mich gezwungen einzuschreiten und sagte sinngemäß, dass es eine dunkle Zeit in Deutschland gegeben hat, in der das der Fall war. Doch die vernünftigen Menschen haben sehr schnell eingelenkt und dieses zu tiefst verbrecherische Verhalten unterbunden. Heute ist es sogar ein heftiges Verbrechen sich überhaupt antisemitisch zu positionieren. Da sind wir Deutschen sehr sensibel. Der Schüler - wir befinden uns hier in der vierten Klasse - schien verstanden zu haben.
Der Funktion als Erzieher sollte man pflichtbewusst nachkommen, ein wichtiger Punkt. Vor allem, wenn man kleinere Kinder erzieht, ist die Selbstreflexion wichtig. Die Werte, die man selbst für gut und damit weitergebbar hält, sollte man dennoch nicht so hinnehmen und unberührt lassen. Wir alle haben als Gemeinschaft zwar gemeinsame Werte und Prinzipien, nach denen wir uns richten. Nichtsdestotrotz besitzt jeder noch individuelle Präferenzen und Maßstäbe, für die man offen sein sollte. Dabei gibt der Staat natürlich die Leitlinie vor; Werte müssen immer im Einklang sein mit der Verfassung. Wie schon erwähnt, kann es fatale Folgen haben, wenn man davon abweicht. Da Kinder sich aber noch im Prozess der Sozialisation befinden, so kann es schon mal den ein oder anderen Fauxpas geben. Bedenkenswert ist es – und da sollte man natürlich hellhörig werden –, wenn solche Äußerungen häufiger vorkommen oder sich verdichten. Dann mag das Problem vielmehr zuhause liegen.